Viele Kinder in Deutschland haben Zahnprobleme – oft, weil in Familien der hektische Alltag das tägliche Zähneputzen in den Hintergrund drängen lässt. Gerade in Ganztagsschulen, in denen Schülerinnen und Schüler den Großteil ihres Tages verbringen, bieten sich neue Chancen: Hier kann man gezielt eingreifen, um Zahnleiden vorzubeugen, Fehltage zu reduzieren und langfristig Kosten zu sparen. Doch die Umsetzung erfordert mehr als einmalige Aktionen: Sie muss fest in den Schulalltag integriert sein, organisatorisch abgestimmt werden und sowohl von Lehrkräften als auch von Eltern getragen werden.
Curriculare Einbindung im Unterricht
Ganztagsschulen verfügen über zusätzliche Unterrichtszeiten, die sich nutzen lassen, um Themen wie Mundhygiene systematisch zu behandeln. Zum Beispiel kann im Biologie- oder Sachunterricht eine 15-minütige Einheit erklären, wie Karies entsteht, welche Rolle Zucker spielt und warum Fluorid so wichtig ist. Auf diese Weise erhalten die Kinder nicht nur theoretische Hintergründe, sondern verstehen auch, wie sie ihr eigenes Putzverhalten langfristig verbessern können.
Projektarbeit stärkt Eigenverantwortung
In einer Projektwoche bilden Schülerinnen und Schüler Kleingruppen, in denen sie Flyer oder Poster zur Zahnpflege gestalten. Sie recherchieren Fakten, erstellen Informationsmaterial und präsentieren es anschließend in der Klasse. Dabei entwickeln sie nicht nur ein Bewusstsein für das Thema, sondern lernen auch, ihre Mitschüler und Eltern von einer guten Mundhygiene zu überzeugen. Solche praktischen Projekte machen Zahngesundheit zu einem Gemeinschaftsthema und fördern Eigeninitiative.
Tägliche Putzroutine nach dem Mittagessen
Direkt nach dem Mittagessen – zum Beispiel von 13:05 bis 13:10 Uhr – nehmen sich alle Kinder fünf Minuten Zeit, um unter Aufsicht ihre Zähne zu putzen. Eine Lehrkraft mit Gesundheits-Patenschaft koordiniert diesen Ablauf und dokumentiert, wer teilgenommen hat. Durch die feste Verankerung im Stundenplan wird die Putzroutine schnell zur Gewohnheit: Die Kinder üben die Technik kontinuierlich und übertragen sie später leichter in den häuslichen Alltag.
Zusammenarbeit mit Zahnärzten vor Ort
„Frühe Zahnhygieneprogramme an Ganztagsschulen senken zahnärztlich bedingte Fehlzeiten, verbessern das Wohlbefinden und reduzieren langfristig Kosten“, betonen Dres. Siekmann, Zahnexperten in Celle.
Die Kooperation kann folgendermaßen aussehen:
- Schulvisiten: Alle sechs Monate kommen Zahnärzte oder Prophylaxeteams in die Schule, um Kariesrisiken zu prüfen und individuelle Tipps zu geben.
- Mobile Praxiseinheiten: Transportable Behandlungsstühle stehen an festen Tagen bereit, oder es gibt vereinbarte Termine in nahegelegenen, speziell auf Kinder ausgerichteten Praxen.
- Fortbildungen für Lehrkräfte: Einmal jährlich nehmen Lehrkräfte und Betreuungspersonal an kompakten Workshops teil. Dort lernen sie, Zahnfehlstellungen und Schmerzsymptome bei Kindern zu erkennen und sie richtig zu motivieren. Begleitend erhalten sie Praxistipps zur Nutzung fluoridhaltiger Zahnpasta.
- Fächerübergreifende Aktionen: Schülerinnen und Schüler erarbeiten Präsentationen zu Themen wie „Zuckerfallen in Pausensnacks“ und zeigen diese bei Elternabenden. So wird das Bewusstsein der gesamten Schulgemeinschaft geschärft.
Elternarbeit als Schlüssel zum Erfolg
Damit Zahngesundheit nicht nur in der Schule, sondern auch zu Hause gelebt wird, müssen Eltern eingebunden sein. Die Schule lädt einmal im Quartal zu einem Elternabend ein, bei dem Fachkräfte erklären, warum regelmäßige Kontrollen und eine zuckerarme Ernährung so wichtig sind. Zudem erhalten Eltern einen Newsletter mit praxisnahen Tipps zur Zahnpflege. Übersetzte Infobroschüren in häufigen Herkunftssprachen (etwa Türkisch, Arabisch, Russisch) und die Möglichkeit, Dolmetscher hinzuzuziehen, stellen sicher, dass alle Familien informiert sind und mitziehen können.
Herausforderungen im Ganztagsbetrieb
Infrastruktur in älteren Gebäuden
Viele Schulgebäude sind nicht darauf ausgelegt, dass täglich zahlreiche Kinder gleichzeitig Zähne putzen. Oft fehlen ausreichende Waschbecken oder Ablagemöglichkeiten für Zahnbürsten. Mobile Waschstationen und abschließbare Hygieneschränke bieten hier eine praktikable Lösung: Sie lassen sich flexibel platzieren, werden regelmäßig gereinigt und gewährleisten einen hygienischen Ablauf. Automatische Spender für Einmalbecher und Fluorid-Paste vermeiden Verschwendung und sorgen dafür, dass immer ausreichend Material vorhanden ist.
Eng getaktete Stundenpläne
Ganztagsschulen haben oft volle Zeitpläne: Unterricht, Förderkurse, AGs und Freizeitangebote hinterlassen kaum Raum für zusätzliche Pausen. Dennoch lässt sich ein fünfminütiger Puffer direkt nach dem Mittagessen einrichten, ohne dass andere Programmpunkte in Gefahr geraten. Kleine, regelmäßig eingeplante Zeitfenster sind meist leichter umzusetzen als ganze Projektphasen und haben den Vorteil, dass sie zur Gewohnheit werden.
Finanzielle Engpässe in sozial schwächeren Regionen
In Gegenden mit geringer Kaufkraft können sich Familien Zahnbürsten und fluoridhaltige Zahnpasta womöglich nicht leisten. Fördervereine oder lokale Zahnärzte übernehmen oft die Versorgung: Sie stellen kostenlose Hygienekits mit Zahnbürste, Zahnpasta und Einmalbecher bereit. Solche Kooperationen sind für Schulen essenziell, weil sie sicherstellen, dass kein Kind wegen fehlender Ausstattung benachteiligt wird.
Sprachliche und kulturelle Barrieren
Viele Eltern mit Migrationshintergrund erhalten Informationen nur auf Deutsch und verstehen wichtige Botschaften zur Zahnpflege nicht in ihrer Muttersprache. Übersetzte Flyer und Elternabende mit Dolmetschern helfen, diese Lücke zu schließen. So können auch Eltern, die wenig Deutsch sprechen, ihre Kinder richtig unterstützen und fühlen sich besser eingebunden.
Fünf Schritte zum gelungenen Zahnhygiene-Konzept
- Bedarf ermitteln und Rahmenbedingungen klären
- Kurze Umfragen unter Lehrkräften, Eltern und Schülern: Wie steht es um die Zahngesundheit? Wer hatte bereits Zahnprobleme oder Zahnarztangst?
- Inventur der Sanitäranlagen: Gibt es genügend Waschbecken und Ablagemöglichkeiten für Hygienematerial?
- Hygieneplan festlegen
- Zum Schuljahresbeginn eine tägliche Putzzeit (z. B. 13:05–13:10 Uhr) verbindlich in den Stundenplan integrieren.
- Eine „Zahn-Beauftragte“ oder einen „Zahn-Beauftragten“ im Lehrerkollegium benennen, der den Ablauf koordiniert und dokumentiert.
- Materialien sicherstellen
- Wiederverwendbare Zahnputzstationen und abschließbare Boxen für Zahnbürsten anschaffen.
- Desinfektionsmittel und Einmalhandtücher bereitstellen, um hygienische Bedingungen zu gewährleisten.
- Kooperationen mit Zahnärzten oder gemeinnützigen Organisationen vereinbaren, um Zahnbürsten, Zahnpasta und Fluorid-Spülungen zu finanzieren.
- Schulpersonal fortbilden
- Mindestens einmal im Jahr eine Fortbildung anbieten: Themen wie Plaque-Bildung, Erkennen von Zahnfehlstellungen und Umgang mit zahnmedizinischen Notfällen stehen im Mittelpunkt.
- Ein digitales Handbuch erstellen, das alle Abläufe, Ansprechpartner und Notfallkontakte für Lehrkräfte und Betreuungspersonal bündelt.
- Erfolge messen und anpassen
- Halbjährliche Analyse der Fehlzeitenstatistiken: Wie viele Fehltage sind zahnärztlich bedingt?
- Feedbackgespräche mit Klassenlehrerinnen und -lehrern sowie Elternvertreterinnen und -vertretern, um das Konzept fortlaufend zu optimieren.
Fazit
Ganztagsschulen können Zahngesundheit deutlich verbessern, wenn sie Prävention nicht als isolierte Aktion, sondern als festen Bestandteil des Schulalltags begreifen. Entscheidend sind regelmäßige Fortbildungen für das Personal, feste Putzzeiten direkt nach dem Mittagessen, eine verlässliche Materialversorgung und eine enge Einbindung der Eltern – inklusive mehrsprachiger Informationen. Wer jetzt in solche Präventionsprogramme investiert, profitiert langfristig: weniger Fehltage, niedrigere Behandlungskosten und ein gestärktes Gesundheitsbewusstsein bei Kindern und Jugendlichen. So können Ganztagsschulen zu echten Gesundheitszentren für die gesamte Schulgemeinschaft werden.
Quellen:
Bundeszahnärztekammer – Kinder- und Jugendzahnmedizin
https://www.bzaek.de/praevention/kinder-und-jugendzahnmedizin.html
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e. V. (DAJ)
https://daj.de/