Zwischen Schulbank und Schwangerschaftstest – eine Realität, die Unterstützung braucht
Eine Schwangerschaft während der Schulzeit ist ein Thema, das nach wie vor mit Unsicherheit, Scham oder Überforderung verbunden sein kann. Dabei ist es keine Seltenheit: Jedes Jahr gibt es in Deutschland mehrere hundert Schülerinnen, die während der Schulpflicht schwanger werden. In Niedersachsen gilt wie bundesweit: Eine Schwangerschaft beendet nicht die Schulpflicht – aber sie verändert die Lebensrealität und erfordert gezielte Unterstützung, rechtliche Klarheit und individuelle Lösungen.
Dieser Beitrag soll sachlich, umfassend und praxisorientiert aufklären. Was bedeutet Mutterschutz für Schülerinnen? Wie kann der Unterricht trotz gesundheitlicher Belastung weitergeführt werden? Was passiert nach der Geburt? Und: Ist Schule mit Baby und Kinderwagen überhaupt möglich?
Schulpflicht bleibt bestehen – auch bei Schwangerschaft
Gemäß den schulrechtlichen Vorgaben des Landes Niedersachsen sind alle Kinder und Jugendlichen schulpflichtig, bis sie entweder die gesetzlich vorgeschriebene Mindestschulzeit erfüllt oder einen anerkannten Schulabschluss erworben haben. Eine Schwangerschaft hebt diese Pflicht nicht auf. Das bedeutet: Werdende Mütter sind grundsätzlich weiterhin verpflichtet, am Unterricht teilzunehmen – es sei denn, es greift eine gesetzlich geregelte Ausnahme wie der Mutterschutz.
Wichtig ist: Auch wenn die Schulpflicht weiterbesteht, hat jede Schule den gesetzlichen Auftrag, Schwangere und junge Mütter zu schützen und zu fördern, nicht zu sanktionieren oder auszuschließen.
Mutterschutzgesetz – auch für Schülerinnen verbindlich
Seit der Neuregelung des Mutterschutzgesetzes zum 1. Januar 2018 profitieren auch Schülerinnen und Studentinnen ausdrücklich von den darin enthaltenen Schutzregelungen. Dies gilt, sofern der Schulbesuch verpflichtend und strukturiert ist – was in staatlichen Schulen zutrifft.
Wichtige Regelungen im Überblick:
- Mutterschutzfrist vor der Geburt: Beginn sechs Wochen vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin.
- Mutterschutzfrist nach der Geburt: Acht Wochen (bei Früh- oder Mehrlingsgeburten zwölf Wochen).
- Während dieser Zeit ruht die Schulpflicht, d. h. Schülerinnen dürfen dem Unterricht fernbleiben – können aber freiwillig teilnehmen, wenn sie dies ausdrücklich wünschen.
- Die Entscheidung zur Teilnahme kann jederzeit widerrufen
- Schülerinnen dürfen während der Schutzfristen auch nicht zur Teilnahme an Prüfungen verpflichtet werden.
Besondere Regelungen:
- Tätigkeiten an Sonn- und Feiertagen oder nach 20 Uhr (z. B. bei Abendveranstaltungen, Theaterprojekten o. ä.) sind nur erlaubt, wenn die Schülerin ausdrücklich zustimmt und die Maßnahme für die Ausbildung notwendig ist.
- In diesem Fall muss die Schule eine Meldung an die Aufsichtsbehörde machen – eine Genehmigung ist nicht erforderlich.
Frühzeitig informieren – Vorteile durch Planung
Ein häufiger Fehler ist es, die Schwangerschaft zu lange geheim zu halten. Zwar besteht keine gesetzliche Mitteilungspflicht, doch aus praktischer Sicht ist es dringend zu empfehlen, das Gespräch mit der Schule so früh wie möglich zu suchen. Nur so können schulorganisatorische Maßnahmen rechtzeitig ergriffen und individuelle Unterstützungsangebote vermittelt werden.
Geeignete Ansprechpersonen können sein:
- die Klassenleitung
- Vertrauenslehrkräfte
- Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter
- die Schulleitung
- schulpsychologische Dienste
Gemeinsam lassen sich Fragen zu Fehlzeiten, Nachteilsausgleichen, möglichen Beurlaubungen und zum Wiedereinstieg nach der Geburt klären.
Umgang mit Fehlzeiten – rechtlich und schulorganisatorisch sensibel
Auch bei entschuldigtem Fernbleiben vom Unterricht gilt: Eine zu hohe Fehlzeitenquote kann sich negativ auf Noten, Versetzung oder Abschluss auswirken. Schwangerschaftsbedingte Arzttermine, Erschöpfungszustände oder medizinische Indikationen müssen daher frühzeitig dokumentiert und kommuniziert werden.
Eine schriftliche Beurlaubung für einen begrenzten Zeitraum – insbesondere nach der Geburt – ist möglich und sollte mit der Schule vereinbart werden. In Einzelfällen kann das Schuljahr auch wiederholt werden, ohne dass dies einen Nachteil darstellt.
Schule mit Kind – organisatorische Realität nach der Geburt
Nach der Geburt steht die Betreuung des Babys im Mittelpunkt. Viele Schülerinnen fragen sich: Wie lässt sich die Kinderbetreuung mit dem Schulalltag vereinbaren? Die Realität ist individuell unterschiedlich – abhängig von Wohnort, familiärer Unterstützung, Schulart und Betreuungsangeboten.
Mögliche Lösungen:
- Betreuung durch Familie, Freunde oder Partner
- Anmeldung in einer Kindertagespflege oder Krippe
- Einrichtung eines Betreuungsplatzes ab dem ersten Geburtstag (gesetzlicher Anspruch)
- Mutter-Kind-Einrichtungen, in denen Betreuungspersonal während der Unterrichtszeiten einspringt
- Haushaltshilfe über die Krankenkasse, falls gesundheitliche Einschränkungen vorliegen
Ein nicht zu unterschätzender Aspekt: Die Rückkehr zur Schule mit einem Kinderwagen. In Niedersachsen gibt es keine landesweit einheitliche Regelung, jedoch sind individuelle Lösungen möglich, wenn keine anderweitige Betreuung verfügbar ist.
Einige Schulen verfügen über Eltern-Kind-Zimmer oder ermöglichen es, das Baby zeitweise mitzubringen. Voraussetzung ist meist, dass der Unterricht nicht gestört wird und das Kind sicher untergebracht ist. Hier empfiehlt sich das persönliche Gespräch mit der Schulleitung – möglichst frühzeitig und lösungsorientiert.
Beratungsangebote und finanzielle Unterstützung
Eine erfolgreiche Schulkarriere trotz Schwangerschaft gelingt selten ohne externe Unterstützung. Deshalb sollten betroffene Schülerinnen möglichst frühzeitig Beratungsangebote in Anspruch nehmen:
Fachliche Beratungsstellen:
- Jugendämter in Niedersachsen
- Schwangerschaftsberatungsstellen (z. B. Pro Familia, Donum Vitae, Caritas)
- Beratungsdienste der Schulen (Sozialarbeit, Schulpsychologie)
- GEW-Anlaufstellen für junge Frauen im Bildungswesen
Finanzielle Unterstützung:
- Mutterschaftsgeld (nur bei Nebenverdienst)
- Elterngeld, Kindergeld, Unterhaltsvorschuss
- Stiftungen und Unterstützungsfonds für junge Mütter
- Unterstützung durch die Sozialhilfe (SGB II, SGB XII)
FAQ – Häufig gestellte Fragen
Muss die Schule über die Schwangerschaft informiert werden?
Nein, es besteht keine gesetzliche Meldepflicht. Dennoch ist eine frühzeitige Information dringend zu empfehlen, um Schutzmaßnahmen zu aktivieren und Hilfsangebote zu koordinieren.
Kann ich während des Mutterschutzes zur Schule gehen?
Ja, wenn ausdrücklich gewünscht. Eine Teilnahme an Unterricht oder Prüfungen während der Schutzfristen ist zulässig – jedoch nur auf freiwilliger Basis.
Darf ich mein Baby mit in die Schule bringen?
Das ist nur in Ausnahmefällen und mit Zustimmung der Schulleitung möglich. Die Schule muss sicherstellen, dass der Unterrichtsbetrieb nicht gestört wird.
Was passiert, wenn ich zu viele Fehlzeiten habe?
Zu viele entschuldigte oder unentschuldigte Fehlstunden können die Versetzung gefährden. Daher sind individuelle Absprachen mit der Schule notwendig – z. B. über Nachteilsausgleich oder Wiederholung des Schuljahres.
Bekomme ich finanzielle Unterstützung als Schülerin mit Kind?
Unter bestimmten Voraussetzungen: Kindergeld, Elterngeld, Unterhaltsvorschuss, Sozialhilfe und ggf. Stiftungsförderungen stehen zur Verfügung. Eine Beratung beim Jugendamt ist empfehlenswert.
Fazit: Schule und Schwangerschaft schließen sich nicht aus
Wer während der Schulzeit ein Kind erwartet, steht vor einer großen persönlichen und organisatorischen Herausforderung – aber auch vor der Chance, Verantwortung früh zu übernehmen und neue Wege zu gehen. Mit den richtigen Informationen, rechtlicher Unterstützung, individueller Planung und einer offenen Kommunikation mit der Schule lässt sich die schulische Laufbahn auch mit Kind fortsetzen.
Für alle werdenden Schülerinnen in Niedersachsen gilt: Sie sind nicht allein. Es gibt Strukturen, Menschen und Institutionen, die helfen – von der Schulsozialarbeit über Beratungsstellen bis hin zum Jugendamt. Der Weg mag fordernd sein, aber er ist machbar.
Junge Mütter haben ein Recht auf Bildung – mit Bauch, mit Baby und, wenn nötig, auch mit dem Kinderwagen vor dem Klassenzimmer.
Offizielle Hinweise & rechtliche Grundlagen
- Mutterschutz in der Schule (Broschüre des Niedersächsischen Kultusministeriums, 44 Seiten PDF, inkl. Gefährdungsbeurteilungen)
→ https://www.mk.niedersachsen.de/download/96105/Mutterschutzbroschuere.pdfFamilienportal+12Niedersachsen+12Niedersachsen+12 - Aktualisierte Ausgabe („Mutterschutz in der Schule“) mit relevanten Downloads
→ https://www.mk.niedersachsen.de/startseite/service/publikationen/arbeitsschutz_und_gesundheitsmanagement_aug/arbeitsschutz-und-gesundheitsmanagement-aug-132910.html Niedersachsen+1Niedersachsen+1 - Mutterschutz für Schülerinnen – Familienportal des Bundes (BMFSFJ)
→ https://familienportal.de/familienportal/familienleistungen/mutterschutz/gibt-es-mutterschutz-fuer-schuelerinnen–125096 Niedersachsen+15Familienportal+15Familienportal+15 - Mutterschutz allgemein – Familienportal inclusive FAQ
→ https://familienportal.de/familienportal/familienleistungen/mutterschutz
Beratung & Unterstützungsangebote in Niedersachsen
- Familien in Niedersachsen – Offizielle Landesplattform: Informationen zu Mutterschutz, Schwangerschaftsberatung, Förderung junger Familien
→ https://www.familien-in-niedersachsen.de/elterninformationen/eltern-werden/mutterschutzFamilienportal+7Familienportal+7Familienportal+7 - Stiftung Familie in Not (Niedersachsen) – Soforthilfe für Schwangere in Notlagen, u. a. Ausstattung, medizinische Versorgung
→ https://www.ms.niedersachsen.de/startseite/jugend_familie/familien_kinder_und_jugendliche/familien/hilfen_fur_familien/stiftung_familie_in_not/wem-und-wie-hilft-die-stiftung-familie-in-not-14374.html - Notruf Mirjam – Anonyme Hotline für Schwangere und junge Mütter (Region Hannover, Göttingen, Bremen/Weser-Ems)
→ https://www.familien-in-niedersachsen.de/elterninformationen/eltern-werden/schwangerschaftsberatungFamilienportal
Finanzielle Hilfen & Leistungen
- Welche Leistungen stehen Schülerinnen/Studentinnen zu? (BMFSFJ) – Info zu Mutterschaftsgeld, Sozialhilfe, Mehrbedarf
→ https://familienportal.de/familienportal/familienleistungen/mutterschaftsleistungen/welche-leistungen-kann-ich-als-schuelerin-auszubildende-oder-studentin-bekommen–125096Familienportal+9Familienportal+9Familienportal+9
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